Sigfried Giedion studierte zuerst Maschinenbau und danach Kunstgeschichte, unter anderem bei Heinrich Wölfflin, bei dem er 1922 promovierte. Der Besuch der Bauhaus-Woche im Jahr darauf prägte ihn entscheidend. In der Folge wurde Giedion zu einem der prominentesten Propagandisten und Historiker der modernen Architekturbewegung weltweit. Im Juni 1928 initiierte er gemeinsam mit Le Corbusier und Hélène de Mandrot die Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM), denen er bis zu ihrer Auflösung 1959 als Generalsekretär vorstand. Neben seiner publizistischen Tätigkeit und der Arbeit für den CIAM war Giedion zeit seines Lebens vielfältig kulturpolitisch tätig. 1929 propagierte er mit der Schrift Befreites Wohnen einen konsequent modernen Wohnstil. Die Möbel dafür lieferte die zwei Jahre später von Giedion, Werner Max Moser und Rudolf Graber gegründete Wohnbedarf AG in Zürich. 1932 war Giedion Berater der Bronzewarenfabrik BAG Turgi. Gemeinsam mit Hin Bredendieck entwickelte er dort unter anderem die Indi-Leuchte. Auch für die Embru-Werke in Rüti engagierte sich Giedion. 1935/36 liess er sich von Alfred und Emil Roth sowie Marcel Breuer im Zürcher Doldertal zwei Mehrfamilienhäuser erbauen. Als Initiator, Theoretiker und Propagandist des Neuen Bauens verschaffte sich der Kunsthistoriker international Gehör. Seine Schriften zählten bald zu den Standardwerken moderner Architekturgeschichte. 1938/39 begannen – mit den Charles Eliot Norton Lectures an der Harvard University – Giedions Aktivitäten als Universitätslehrer. 1941 erschien Space, Time and Architecture, Giedions zentrales Buch zur Architekturgeschichte. Der durch Le Corbusier vermittelten Lehrtätigkeit in den USA folgte 1946 die Berufung als Dozent an die ETH Zürich. Zwei Jahre später veröffentlichte er die kulturhistorische Studie Mechanization Takes Command. Bis Mitte der 1960er-Jahre war Giedion abwechselnd in Harvard und an der ETH Zürich tätig. (Andrea Eschbach)