8031 Zürich
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8008 Zürich
Ein überdimensionaler Schnuller, in fotografischer Detailtreue erfasst, ist ein ungewöhnliches Plakatsujet. Auf dem roten Sauger hat sich eine Fliege niedergelassen, die von Donald Brun (1909–1999) ebenso minutiös gemalt wurde. 1946 votierte der Gestalter mit diesem Plakat gegen das Frauenstimmrecht, das in der Schweiz erst 1971 angenommen wurde.
In den 1940er-Jahren dominierte das sogenannte Sachplakat die Schweizer Konsumwerbung. Dinge des alltäglichen Bedarfs eroberten die Bühne. Riesig blickten sie von den Plakaten herab, in einer sinnlichen Präsenz erfasst, die zum Berühren verführte. Donald Brun eignete sich diese Ästhetik auch für sein Abstimmungsplakat an. Allerdings bewarb er damit keine Schnuller. Und ebenso wenig bezeugt das Insekt hier die Güte des Produkts, wie auf anderen Plakaten Bruns. Der Schnuller mit Fliege ist hier vielmehr ein Sinnbild für vernachlässigte Kinder. Und der Abstimmungsslogan macht unmissverständlich deutlich, wen die Schuld trifft: Es sind die Frauen, die durch Wahrnehmung des Stimmrechts ihre Mutterpflichten vernachlässigen. Die späte Annahme des Frauenstimmrechts gehört zu den traurigen Kapiteln der Schweizer Demokratie. Erst ab den 1950er-Jahren zeigte sich langsam ein Gesinnungswandel, nicht zuletzt durch die steigende Vertretung der Frau in der Arbeitswelt. Bruns’ Plakat veranschaulicht eindrücklich die Ängste der Männer vor einer zunehmenden Einflussnahme der Frau im politischen und gesellschaftlichen Leben und einer damit einhergehenden Neuordnung der Geschlechterrollen- und -pflichten. Dass diese Entwicklung aber nicht aufzuhalten war, davon zeugen weitere Volksabstimmungen zum Thema. 1954 gestaltete auch Brun ein Ja-Plakat. 1971 triumphierte endlich die Gleichberechtigung, kein einziges Plakat der Gegnerschaft fand sich mehr im öffentlichen Aushang. (Bettina Richter)
Erscheinungsland: Schweiz
Gestaltung: Donald Brun
Material/Technik: Lithografie
127 × 90 cm
Eigentum: Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK
Museum für Gestaltung Zürich, Bettina Richter (Hg.), Magie der Dinge, Poster Collection 24, Zürich 2012.
†1999 in Clarens
Donald Brun absolvierte zunächst eine Lehre als Reklamezeichner bei Ernst Keiser in Basel und besuchte anschliessend die Fachklasse für Grafik an der Allgemeinen Gewerbeschule bei Paul Kammüller. Danach setzte er seine Ausbildung in Berlin an der Akademie für Freie und Angewandte Kunst fort, wo er bis 1931/32 beim Nestor der deutschen Gebrauchsgrafik Oskar H. W. Hadank sowie bei Ernst Böhm studierte. 1933 gründete er sein eigenes Atelier in Basel. In den Jahren 1945 bis 1947 unterrichtete Brun zudem im Teilpensum als Fachlehrer an der Kunstgewerbeschule Basel. 1977 gab er seine beruflichen Tätigkeiten auf und zog sich nach Clarens an den Genfersee zurück, wo er sich der freien künstlerischen Arbeit widmete. Brun war auf allen Gebieten der visuellen Kommunikation tätig. Mit seinem Plakatschaffen zählt er zu den Werbern der ersten Stunde. Nicht die eigene Künstlerhandschrift, sondern die adäquate Umsetzung der Werbebotschaft war ihm oberstes Ziel. So gehorchten seine Plakate den Anforderungen der noch jungen Konsumgesellschaft. Die Darstellung der Dinglichkeit von Produkten im Stil des Sachplakats steht neben humoristischen, erzählerischen Varianten und grafisch strengen Umsetzungen. Mit seinen Plakaten für Persil oder Bally nahm Brun zudem den Kampagnencharakter heutiger Werbestrategien vorweg. Neben der Gestaltung von Plakaten hatte die Realisierung von Messeständen für ihn primären Stellenwert. 1939 wirkte er beispielsweise an der Gestaltung des Modepavillons an der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich mit. Über einige Jahre hinweg war er zudem Ausstellungsleiter der Mustermesse Basel. Brun gehörte zu den Initianten der Alliance Graphique Internationale (AGI) und war einer der Pioniere des Verbands Schweizer Graphiker sowie des Goldenen Pinsels, einer alljährlich für gute Werbung verliehenen Auszeichnung. (Andrea Eschbach)
Museum für Gestaltung Zürich, Bettina Richter (Hg.), Donald Brun, Poster Collection 2, Baden 2001.
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Porträt Donald Brun
Abbildung: Archiv Roland Kupper / Fotografie: Erich Kupper
Plakat, Frauenstimmrecht Nein, 1946, Schweiz, Gestaltung: Donald Brun
Abbildung: Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK
Plakat, Erika Pudding, 1944, Schweiz, Gestaltung: Donald Brun
Abbildung: Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK
Plakat, Frauenstimmrecht Ja, 1954, Schweiz, Gestaltung: Donald Brun
Abbildung: Museum für Gestaltung Zürich / ZHdK
Realistisch präzise erfasst, nimmt ein Schnuller die ganze Bildfläche ein. Auf ihm sitzt eine Fliege. Der Schnuller wird so zum Sinnbild für vernachlässigte Kinder, weil deren Mütter Politik machen. Schon bei seinem Erscheinen erregt das Plakat von Donald Brun (1909 – 1999) Widerstand. Im Magazin Vorwärts schreibt Claire Bächlin, das Plakat sei eine Beleidigung «für alle Frauen, die neben der Haushaltung einer Arbeit nachgehen müssen und dennoch ihre Kinder sauber halten und zu gesunden Menschen heranziehen».