Nach dem Besuch des Vorkurses an der Allgemeinen Gewerbeschule Basel absolviert Nelly Rudin ebendort von 1947 bis 1950 die Grafikfachklasse. Anschliessend war sie im renommierten Grafikatelier der J. R. Geigy AG tätig und gestaltete neben Karl Gerstner, Gérard Ifert, Max Schmid und weiteren Grafikerinnen und Grafikern, die dem Swiss Style verpflichtet waren, Verpackungen und Werbebroschüren für das Pharma- und Chemieunternehmen.
Früh begann Rudin nebenbei auch mit freikünstlerischen Arbeiten im Stil der konstruktiv-konkreten Kunst. Max Bill wurde zu einem wichtigen Förderer ihres künstlerischen Schaffens. In Zürich war Rudin zunächst in der Agentur von Ernst A. Heiniger und Josef Müller-Brockmann tätig und arbeitete auch für den Werbetexter Hans Neuburg. 1956 machte sie sich mit einem eigenen Büro für grafische Arbeiten selbstständig.
Bekannt wurde Rudin unter anderem mit ihrem Plakat für die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) von 1958. 1962 nahm Rudin einen Lehrauftrag an der Kunstgewerbeschule Biel an. Ab 1964 widmete sie sich ausschliesslich der freien Kunst. Viele ihrer Arbeiten entstanden im Stil der rational-abstrakten Formensprache der Zürcher Konkreten. Ab Mitte der 1970er-Jahre fügte Rudin ihrem künstlerischen Schaffen eine eigenständige neue Richtung bei durch das reliefartige Ausgreifen in den Raum und das Verlassen des strengen Regelkorsetts der konstruktiv-konkreten Kunst.
In der Galerie 58 von Josef Müller-Brockmann in Rapperswil erhielt Rudin 1968 eine erste, äusserst erfolgreiche Einzelausstellung. 2011 würdigte das Haus Konstruktiv in Zürich die Künstlerin mit der grossen Retrospektive Open Space, 2013 konnte sie den Grafikpreis der Peter-Kneubühler-Stiftung für ihr Lebenswerk entgegennehmen. (Bettina Richter)